Ich gehöre ja eigentlich nicht zu denen, die ihre Beiträge gern selbstgefällig einleiten mit „Schon in meiner Magisterarbeit vor 30 Jahren habe ich mich mit dem Thema Fragen beschäftigt…“ – Also – auch wenn ich das tatsächlich habe, geht es mir heute um ein frischeres Erlebnis:
Fotos: Amr Keshk
Vergangenen Samstag 21.1. konnte ich in einer Flüchtlingsunterkunft in Siegburg mit rund 15 (ja, in etwa – mal waren es 12, dann wieder 19… es war ein Kommen und Gehen) dort Wohnenden überwiegend aus Syrien und Afghanistan einen speziellen Workshop machen: Fragen üben.
Der Impuls kam aus dem Kunst-Projekt „Im Namen der Wellen„, wo Marguerite und eine Menge weiterer Leute gemeinsam mit geflohenen Menschen Performances, Rauminstallationen und Ausstellungenn erarbeiten. Bei den Proben für die erste Performance sind sie darauf gestoßen, wie wichtig Fragen sind (durchaus auch im Vergleich zu Antworten, die sofort wieder alles auserklären). Und wie sehr es von der Art der Frage abhängt, ob du eine Antwort bekommst, bzw. was für eine.
Fragen sind eine freundliche und dabei steuernde Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, Kontakt zu machen (tatsächlich bin ich seit meiner Magisterarbeit, in der ich konversationsanalytisch herausarbeitete, wie Frauen Themenwechsel initiieren und damit Gespräche steuern – nämlich über Fragen – mit diesem Thema verbunden). Zugleich entsteht eine zarte Sensibilisierung dafür, wie kostbar es ist, Fragen stellen zu können: Ein demokratisches Grundrecht (auch wenn es auf der politischen Bühne oft genug zur Farce wird). Auch dazu wollen die Leute von „Im Namen der Wellen“ einen co-kreativen, gemeinsamen Erfahrungsraum öffnen.
In dem Nachmittagsworkshop sind wir gerade mal den Unterschieden zwischen öffnenden (offenen) und schließenden (geschlossenen) Fragen auf die Spur gekommen; für viel mehr reichten Sprachkenntnisse und Konzentration nicht. Die Fragen, die dabei herauskamen, beschäftigen mich noch – geschlossene Fragen mit weitem Fokus, die einem das einfache JA oder NEIN als Antwort gar nicht so einfach machen, wie diese hier:
Ist das Deutschland? – Bist du verliebt („flipt“)? – Magst du Ausländer?
… oder offene Fragen, die ganz schön ran gehen, wie die:
Warum immer „Ladies first“? – Wenn du Krieg hättest, was würdest du tun? – Was machen wir in Zukunft?
Aus einer Beispielliste von öffnenden Fragen, die wir Menschen stellen können, an denen wir wirklich interessiert sind, gefiel den meisten Workshoppern übrigens am besten diese:
WER BIST DU? – – – – (wie würdest du darauf antworten?)
Eine spannende Erfahrung, dieser Nachmittag mit besonderen Kriegskindern. Und natürlich wurde danach gekocht, gegessen, gefeiert, getanzt.
Es geht jedenfalls weiter mit diesem Projekt; vielleicht sind einige der Workshop-TeilnehmerInnen schon bald in Bonn als „Fragen-Scouts“ unterwegs, und am 11.2. gibt es die nächste Performance…
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